Sirnach, 2. März 2024 – Zwischen 35 und 40 Vogelarten brüten, so die aktuellen Erhebungen der Vogelwarte Sempach, regelmässig in Schweizer Siedlungsräumen. Eine ähnliche Anzahl an Personen aus dem ganzen Kanton Thurgau versammelte sich am Samstagmorgen in Sirnach, um einige Gebäudebrüter-Standorte zu besichtigen und sich über die häufigsten Schwalben- und Seglerarten zu informieren, die im Siedlungsraum anzutreffen sind. Diese Exkursion fand im Rahmen der diesjährigen Delegiertenversammlung des Thurgauer Vogelschutzes statt, die am Nachmittag im Gasthof Engel in Sirnach durchgeführt wurde.
Bei herrlichem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen begrüsste Nina Moser, Leiterin der Geschäftsstelle des Thurgauer Vogelschutzes, die Anwesenden. Sie erläuterte kurz das Tagesprogramm und stellte die anwesende Merline Roth vor, Mitarbeiterin der Vogelwarte Sempach, Ressort Lebensraum Siedlung. Anschliessend wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen aufgeteilt und unter der Leitung von Merline Roth sowie Regula Wendel, Sektionspräsidentin des Natur- und Vogelschutzvereins Sirnach zu verschiedenen Standorten geführt, wo künstliche Nisthilfen den Mehlschwalben und Mauerseglern einen geeigneten Brutplatz bieten.
Gebäudebrüter sind auf Toleranz und Förderung angewiesen
Während des Rundgangs wurden nicht nur die Gebäudebrüter porträtiert, sondern auch Möglichkeiten erläutert, wie den Vögeln aktiv geholfen werden kann. Seit der Mensch vor vielen Hunderten von Jahren damit begann, „künstliche Felsen“ ins Flachland zu bauen, wagten Felsenbrüter wie Greifvögel, Segler oder Schwalben bald, diesen neu geschaffenen Lebensraum zu nutzen und in direkter Nachbarschaft mit dem Menschen zu leben. Doch dieses Zusammenleben ist zunehmend gefährdet. Moderne Häuser werden heute oft mit Flachdächern ohne Dachvorsprung und aus isolationstechnischen oder ästhetischen Gründen dicht gebaut, ältere Gebäude saniert und bestehende Nistmöglichkeiten verschlossen. Geeignete Nischen und Spalten gehen so zusehends verloren, weshalb künstliche Nisthilfen verstärkt an Bedeutung gewinnen. Das Schaffen solcher Nistorte stösst jedoch oft auf Widerstand von Liegenschaftseigentümern, weil die Furcht vor verdreckten oder gar beschädigten Fassaden durch Vogelkot gross ist. Dies führt dazu, dass immer wieder vorhandene Nester durch Hausbesitzer entfernt werden, obwohl diese vom Gesetzgeber geschützt sind. Daher gilt, die Unsicherheiten in der Bevölkerung aus dem Weg zu räumen, wie mit Nestern in und an den Häusern vorzugehen ist. „Es ist wichtig, Gespräche zu führen, bei den verantwortlichen Personen das Interesse zu wecken und Kompromisse zu finden, um ein Zusammenleben von Menschen und Vögeln weiterhin zu ermöglichen. Die Segler und Schwalben sind auf unsere Toleranz angewiesen!“, so Merline Roth.
Gebäudebrüterinventar hilft, Gefährdungen frühzeitig zu erkennen
Im Anschluss an die Exkursion informierte die Mitarbeiterin der Vogelwarte Sempach über das Gebäudebrüterinventar und dessen Bedeutung. Sie verdeutlichte dabei die Wichtigkeit der regelmässigen Kontrolle und Erhebung der Gebäudebrüter-Standorte. Der Lebensraum von Schwalben und Seglern im Siedlungsraum ist nicht nur aufgrund des schwindenden Nahrungsangebotes bedroht, sondern auch durch anhaltende Bautätigkeit einem stetigen Wandel unterworfen, was die standorttreuen Tiere vor zusätzliche Probleme stellt. Deshalb ist es wichtig, Gefährdungen von Standorten frühzeitig zu erkennen und bei baulichen Veränderungen für geeigneten Ersatz in unmittelbarer Nähe zu sorgen. Der Thurgauer Vogelschutz bietet zusammen mit der Vogelwarte Sempach Kurse für Mitglieder lokaler Natur- und Vogelschutzvereine an, um die Freiwilligen dahingehend zu befähigen, Daten von Gebäudebrüter-Standorten zu erheben und der Vogelwarte zu melden.
Delegiertenversammlung ganz im Zeichen der Biodiversität
Nach dem gemeinsamen Mittagessen eröffnete Beat Leuch, Co-Präsident des Thurgauer Vogelschutzes, den offiziellen Teil der diesjährigen Delegiertenversammlung. In einem anschliessenden Grusswort, das in Form einer Videoaufzeichnung ausgestrahlt wurde, hob der Sirnacher Gemeindepräsident Beat Schwarz die konstruktive Zusammenarbeit mit dem lokalen Natur- und Vogelschutzverein Sirnach hervor und bedankte sich bei der Präsidentin Regula Wendel für ihren unermüdlichen Einsatz in der Gemeinde.
Die Delegiertenversammlung behandelte neben den regulären Vereinsgeschäften auch das Thema Biodiversität als zentralen Schwerpunkt. Angesichts des deutlichen, seit vielen Jahren ununterbrochenen Rückgangs der biologischen Vielfalt in der Schweiz und der hohen Anzahl bedrohter Pflanzen- und Tierarten ist die Sensibilisierung der Bevölkerung von entscheidender Bedeutung. Die Wahl von zwei neuen Vorstandsmitgliedern, Marco Bertschinger, Projektleiter Bau und Umwelt der Stadt Romanshorn und Stephan Steger, kantonaler Reservatspfleger, stellt ein weiterer Schritt dar, um die Kompetenzen des Thurgauer Vogelschutzes auch im Kampf für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität zu stärken.
Thurgauer Vogelschutz setzt sich ein für die Biodiversitätsinitiative
Auf politischer Ebene steht im September dieses Jahres die Abstimmung über die Biodiversitätsinitiative an. Der Thurgauer Vogelschutz wird sich mit voller Kraft für ein Ja einsetzen. Wenn es gelingt, die Sicherung und Stärkung der Biodiverstität in der Verfassung zu verankern, ist ein erster Schritt getan, um den Artenschwund zu stoppen. Danach wird das Parlament ein hoffentlich zielführendes Gesetz ausarbeiten.